Juli 2009: Geteilte Freude ist doppelte Freude!

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In den Einkaufsläden von Zimbabwe gibt es wieder Waren zu kaufen, aber leisten können sich das die wenigsten. Seit Anfang Jahr kann offiziell mit der südafrikanischen Währung bezahlt werden und zudem wird der US-Dollar jetzt akzeptiert, was die enorme Inflation im Lande eindämmte. Auch die Gewalt nach den Wahlen von 2008 ist abgeklungen. Auf den ersten Blick ist Zimbabwe auf dem Weg zurück, um wieder ein normal funktionierender Staat zu werden. Hält man sich aber zehn Tage in Zimbabwe auf, wird man mit unzähligen Dingen konfrontiert, bei denen man nur staunen kann, wie die Menschen damit umgehen. Dazu hatte unser Team, bestehend aus Daniel Bates, Dominique Rutz, Lukas Mettler, Marcel Reuteler (alles Musikanten aus dem Heilsarmee- Korps Zürich Zentral) und Philipp Stettler (Korps Bern), Gelegenheit auf der Reise im Mai 2009.

Eintauchen in eine andere Welt

Wir landeten direkt bei den Victoria Falls und konnten bereits einen der schönsten Zipfel des Landes bewundern. Etwas angespannt vom langen Flug waren wir froh, dass wir mit zwei Ferientagen in dieser neuen Umgebung beginnen konnten. Dies half, sich vom emsigen Alltagsleben in der Schweiz zu lösen und in eine Welt einzutauchen, in der die Zeit teilweise stehen geblieben schien. Da waren die gigantischen Wasserfälle, welche die ganze Kraft in der Natur erahnen lassen. Da war eine Tierwelt, welche uns hautnah die Schönheiten von Afrika erleben lässt, und da ist der bezaubernde Sonnenuntergang über der Weite des Zambesi-Flusses, welcher Ruhe und Geborgenheit ausstrahlt. Die ganze Atmosphäre vermittelte den Eindruck, dass dieses afrikanische Land wirklich ein Paradies ist.

Es gibt aber auch noch eine andere Realität in Zimbabwe. Diese lernten wir schnell kennen, als wir mit Kapitän Criswell Chizengeya, dem Projektoffizier der Heilsarmee in Zimbabwe, die erste Etappe der Reise in Angriff nahmen. Wir merkten bald einmal, dass hier ohne ihn nicht viel funktionierte. Seine Hauptsorge war in diesen ersten Tagen, dass der Container mit allen Musikinstrumenten rechtzeitig am Bestimmungsort ankam. Als wir nämlich in Zimbabwe landeten, hatte es dieser Container nach einer dreimonatigen Reise zu Wasser und zu Land immer noch nicht geschafft, die Grenze zu überqueren. Die Zuversicht, dass das geplante Musikfestival mit der feierlichen Übergabe der Instrumente in dieser Form durchgeführt werden könne, sank stetig. Kapitän Chizengeya war beinahe dauernd am Telefonieren, konnte uns aber nie einen positiven Bescheid über den Verbleib des Containers geben.

Wir brachen also auf und besuchten zuerst das Heilsarmee-Korps Victoria Falls. Die Korpsoffizier leben dort mit ihren Kindern in der Garage. Die Offizierswohnung befindet sich immer noch im Rohbau. Seit dem letzten Besuch von Daniel Bates im Jahr 2007 hat der Bau kaum Fortschritte gemacht. Es funktionierte also auch hier sehr wenig. Die Mauern wurden etwa um zwei Meter erhöht, aber es fehlten nach wie vor Dach und Fenster.

Das Korps Victoria Falls gehörte zu den Auserwählten, welche Musikinstrumente erhalten würden. So interessierte sich Marcel Reuteler natürlich sehr für den aktuellen Zustand der Instrumente dieses Korps, und er bekam das erste Mal einen Eindruck von dem, was den Heilsarmee- Musikanten in Zimbabwe zum Musizieren zur Verfügung steht. Das war dann auch für einen langjährigen Instrumentenreparateur wie Marcel ein echter Schock. Weder Marcel noch wir andern, die wir doch auch alle Musikanten sind, konnten sich vorstellen, wie man mit solchen Instrumenten noch spielen kann. Wir begriffen nun natürlich, wieso die über 70 Instrumente der SwiZimAid-Aktion hier so sehnlich erwartet wurden, und wir konnten uns schon vorstellen, dass die „neuen“ Instrumente eine riesige Freude und Motivation für die hiesigen Heilssoldaten auslösen würden. Die Frage stellte sich nur, ob wir es überhaupt erleben würden, dass diese Instrumente im Container auch wirklich hier eintrafen.

Zimbabwe 2008 - Instruments
Instrumentenreparateur Marcel Reuteler beim Inspizieren der Brassinstrumente.

Grosses Musikfestival in Bulawayo

Nachdem unser Minibus vollgetankt war – die Tankfüllung kostete etwa gleich viel wie in der Schweiz –, fuhren wir nach Bulawayo. Wir waren etwa 6 Stunden unterwegs, und je mehr wir uns der Stadt näherten, umso schlechter wurden die Strassen. Es sah aus, als ob da seit 30 Jahren nie etwas ausgebessert worden wäre, obwohl Bulawayo immerhin die zweitgrösste Stadt des Landes ist. So erreichten wir zuerst das Büro einer Frachtfirma, das von einer Salutistin geleitet wird. Hier gab es die ersten positiven Signale, was den Verbleib des Containers betraf, und als wir einige Strassen weiter fuhren, erreichten wir das Divisionshauptquartier der Heilsarmee, und siehe da: Alle Palette, in denen die Instrumente und Ständer verpackt waren, standen da. Wir konnten uns nicht vorstellen, wie man diese schweren SBB-Palette vom grossen Sattelschlepper auf den Boden gebracht hatte, aber sie standen da, und alle Instrumente hatten den Transport unversehrt überstanden, wie sich am andern Tag herausstellte, als wir die Blasinstrumente für die Übergabe bereit machten.

Nun war es also soweit! Das grosse Musikfestival begann am Samstagmorgen im Saal des Bulawayo Tempel-Korps. Vorne im Saal spielte eine kleine Gruppe Musikanten, und über die nächsten Stunden versammelten sich immer mehr Gruppen aus dem ganzen Lande. Sogar aus Botswana kam eine Delegation. Schliesslich waren über 500 Personen anwesend. Auch die Gruppe Musikanten wurde stetig grösser und vor allem lauter. Jetzt ging es richtig los! Verschiedenste Chöre sangen und tanzten oder spielten mit Tamburinen, und zwischendurch trug die Musik mit grossem Enthusiasmus ihre Darbietungen vor. Die Ventile der Instrumente klapperten dazu lautstark und die Intonation verlor jegliche Balance, weil die Instrumente so verstimmt waren, aber das tat der guten Ambiance im prall gefüllten Saal keinen Abbruch. Man hatte lange für diesen Anlass geübt, und ein Höhepunkt war eine Gruppe aus einem Gefängnis, welche vom Gefangenendienst der Heilsarmee betreut wird. Diese jungen Männer legten eine ungeheure Energie in ihren Tanzvortrag.

73 Brassinstrumente mussten nach dem langen Transport kontrolliert und geölt werden.

Unser Team spielte dann als Quintett zwei Stücke mit den neuen Instrumenten, die eben aus der Schweiz angekommen waren. Dann stellte Daniel Bates das SwiZimAid-Projekt vor, und der Landesleiterin der Heilsarmee in Zimbabwe wurde symbolisch ein Cornet feierlich übergeben. Ich versuchte dann in Form eines Interviews mit Marcel Reuteler aufzuzeigen, dass diese Instrumente eigentlich nicht neu sind, sondern durch tagelange Arbeit von Marcel hergerichtet, revidiert und auf Hochglanz poliert worden waren. Das Ganze war auch nur möglich geworden durch die grosszügigen Spender und die vielen Personen, die es logistisch überhaupt ermöglicht hatten, so viele Instrumente zu lagern, zu verpacken und schliesslich nach Afrika zu spedieren. Die Kommissärin machte darauf einen eindringlichen Appell, diese Instrumente mit viel Sorgfalt zu brauchen und zu pflegen.

Anders und doch vertraut

Am andern Tag konnten wir einen Sonntag in einem sehr armseligen Korps miterleben. Das heisst, äusserlich sah dieses Korps Pumula mit nur einem Unterstand, einigen Bänken und einer Heilsarmeefahne vielleicht eher primitiv aus, aber die innere Freude, welche die dortigen Salutisten zum Ausdruck bringen, war ein sehr ergreifendes Erlebnis. Obwohl uns vieles exotisch erscheint, besteht doch die Vertrautheit unserer Heilsarmeefamilie mit den bekannten Liedern und Bräuchen. Einen tiefen Eindruck hinterliess auch der Umgang mit ihren Sorgen und Nöten. 90 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung findet keine Anstellung. Viele müssen ihre Familien verlassen, um im Ausland einem Verdienst nachzugehen. Die Zurückgebliebenen haben meist kaum genug, um zu leben, und doch kommen sie jeden Sonntag in Uniform und müssen einen langen Weg unter die Füsse nehmen, um Gott zu feiern, dem sie die ganze Not anvertrauen. Dieses Verhalten berührte mich persönlich sehr – es lässt Dinge bei uns in andere Relationen rücken – und veranlasst mich, solidarisch mit unseren Kameraden in Zimbabwe zu sein.

Zimbabwe 2008 - Pumula
Gottesdienst am Sonntagmorgen im Korps Pumula.

Das Wasserpumpen-Projekt kommt voran

Die Finanzierung von zehn Wasserpumpen ist ein Schwerpunkt des SwiZimAid-Projekts. So waren wir natürlich auf die Einweihung der ersten Pumpe sehr gespannt. Wir wussten nicht recht, was uns erwartete. Als wir auf dem Korpsareal von Nkulumane ankamen, wurde uns eine Plastikröhre gezeigt, die angeblich 60 Meter tief in die Erde gehen soll. Nun, unser Projektoffizier, Criswell Chizengeya, war mit diesem Zustand absolut nicht einverstanden und zitierte die Firma, welche für den Pumpenbau zuständig ist, auf den Platz. Und jetzt ging es vorwärts. Während zwei Stunden konnten wir mitverfolgen, wie die Wasserpumpe, welche in Südafrika hergestellt wird, montiert wurde. Und dann war es soweit! Frisches, glasklares Wasser wurde aus dem Boden gepumpt. Das Wasser steht der ganzen Siedlung zur Verfügung und kann auch den Gemüseanbau des Korps bewässern, was wiederum Einnahmen erzeugt. Die Begeisterung der anwesenden Korpsfamilie war überschwänglich, und es wurde wieder einmal ausgelassen gesungen und getanzt.

Auf der Weiterfahrt sahen wir noch einen Ort, wo eine Wasserpumpe gebaut werden soll. Diese dient wiederum verschiedenen Zwecken: einerseits der nahe gelegenen Schule, wo die Schulkinder ihr Wasser selber mitbringen müssen, in der Regel ist das kein sauberes Wasser, und es muss von den Kindern über viele Kilometer herangetragen werden. Andererseits dient die Pumpe auch wieder den umliegenden Siedlungen, welche kein fliessendes Wasser haben, wie auch dem angrenzenden Heilsarmeekorps, welches über viel Land verfügt, das bepflanzt werden kann.

Masiye Camp

Zimbabwe 2008 - Masiye
Grenzerfahrungen im Masiye Camp.

Am Abend machten wir dann die Erfahrung, wie man ohne Strom auskommen muss. Wir erreichten das Masiye Camp über holprige, staubige Naturstrassen, und ich fühlte mich nun wirklich abseits jeglicher Zivilisation. Ohne warme Dusche am Morgen begann der Tag in einer traumhaften Landschaft. Das Camp besteht aus vielen verschiedenen Hütten, eingebettet in einen Hügel und einen eigens für die Wasserversorgung gebauten Stausee. Dieses Camp dient dazu, das Vertrauen und Selbstwertgefühl von AIDSWaisen wieder aufzubauen. Die Kinder machen in diesen Lagern verschiedenste Aktivitäten, um durch Mutproben und Herausforderungen, die nur als Gruppe zu bewältigen sind, Erfahrungen zu sammeln. Da wir auch eine Gruppe waren, hatten wir Gelegenheit abzuseilen, „abzustürzen“ oder an einem Seilbähnli hängend über den See zu zischen. Dabei versuche ich mir vorzustellen, wie dies wohl mit 100 Kindern zu und her geht, wenn wir schon zu fünft bei dem engagiert geführten Erfahrungsaustausch kaum gestoppt werden konnten. Ich denke, die Lagerverantwortlichen machen da eine einmalige Arbeit mit diesen Kindern und Jugendlichen.

Bis zum Schluss der Reise geschehen Dinge, die wir nicht für möglich hielten

Da viele Container mit Kleidern und medizinischen Hilfsgütern vom Heilsarmee-Spital Tschelanyemba aus verteilt werden, bekamen wir auch die Gelegenheit, diesen Ort zu besuchen. Dieses Spital ist das einzige, welches letztes Jahr während der schlimmsten Krisenzeit in Zimbabwe seinen Betrieb aufrechterhalten konnte. Natürlich sind für ein Spital Stromausfälle, unzuverlässige Transportmittel, das Abgeschnittensein von der Aussenwelt und die nichtvorhandenen Fachkräfte noch viel verheerender als anderswo. Darum war es gut vor Ort zu sehen, welche Hilfe sinnvoll ist und welche Geräte unter diesen Bedingungen wirklich nicht gebraucht werden können. Schliesslich erreichten wir nach einer Tagesreise die Hauptstadt Harare. Mein weisses TShirt war durch den Staub der roten, afrikanischen Erde gezeichnet, aber wir waren alle froh und dankbar, dass wir noch gerade vor der Dunkelheit heil angekommen waren. Auf diesen Strassen lauern viele Gefahren, seien es Tiere, schlecht sichtbare Fussgänger, verlorene Gepäckstücke oder auch Löcher in der Fahrbahn.

Zimbabwe 2008 - ContainerDiese Reise war geprägt von unzähligen Ereignissen, Erlebnissen und Fügungen, von denen ich noch lange schreiben und erzählen könnte. Würden meine Freunde noch Dinge beifügen, die sie von diesem Land mitgenommen haben, so wäre dies immer noch nur ein Bruchteil des Reichtums an nachhaltigen Erfahrungen. Als Beweis dazu möchte ich noch folgende Begebenheit erwähnen. Nachdem wir so gehofft hatten, dass der Container mit den Instrumenten rechtzeitig ankomme, konnten wir am Tag unserer Abreise sogar noch jenen Container, welcher im Januar die Schweiz verlassen hatte, in Empfang nehmen. Die Hilfsgüter wurden dann zusammen mit der United Baptist Church verteilt. Geteilte Freude ist doppelte Freude!

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Text: Philipp Stettler